Karpath, Ludwig: Brief an Elise Richter. Wien, 8.3.1932
Kunstbeirat des Unterrichtsministers:
HOFRAT LUDWIG KARPATH
WIEN IV., PRINZ EUGENSTRASSE 16
TELEPHON: U-49-0-61
Wien, den 8. März 1932.
Sehr geehrte Frau Professor!
Die Redaktion des "Neuen Wiener Tagblatts" übermittelt mir Ihre Post-
karte, für die ich Ihnen wärmsten Dank sage. Ich weiss selbstverständlich,
was "Etatismus" bedeutet, stellte mich bloss unwissend, aus erzieherischen
Gründen. Ich meine aber nicht die Erziehung des Lesers, sondern des Jour-
nalisten. Für den Journalisten gibt es keine Entschuldigung, die Sie ihm in
Ihrer grosszügigen Art zubilligen, er muss wissen, was er seinem -selbst
gebildeten- Leser zutrauen darf oder erst erklären soll. Nun erst dem unge-
bildeten Leser! Und darum geht es hauptsächlich. Das Unglück ist nämlich,
dass die meisten Journalisten nicht genügend gebildet sind. Der Mann, der
das Wort "Falscher Etatismus" niederschrieb, dürfte wohl über ein reiches
Wissen verfügen, er ist aber -und diesen Punkt betrachte ich von einer
journalistischen Warte- kein guter Journalist, weil er wissen müsste, dass
die grosse Mehrzahl seiner Leser das Wort "Etatismus" nicht versteht.
Folgerichtig dürfte er es nicht gebrauchen oder, wie Sie ganz richtig be-
merken, den Begriff des Wortes erklären. Das Wort "Zeitungsdeutsch" ent-
spricht nur zum Teil der Deutung, die Sie ihm geben, denn unter "Zeitungs-
deutsch" verstand man, namentlich in meinen Anfängen, einfach ein schlech-
tes Deutsch. Und dieses wird heutzutage mehr gebraucht, denn je. Von Zeit
zu Zeit juckt es mich, auf alle diese Schäden hinzuweisen, leider vergeb-
lich, das böse Gift wirkt einfach weiter. Ich für meinen Teil gebrauche
Fremdwörter nur im Notfall, dann aber ohne falsche Scheu und für das Fremd-
wort kämpfend. Ich werde mich nie mit einer "Duftei" zufriedengeben, auch
nicht mit "Sehnsüchten", denn es gibt nur eine ungeteilte Sehnsucht. Noch
etwas Heiteres: Leute aus dem Publikum schreiben mir und wollen mich ver-
bessern. Schopenhauer nennt's "verschlimmbessern". Nun, dagegen ist man
machtlos.