Bahr, Hermann: Korrespondenzkarte an Josef Matthias Hauer. München, 17.9.1923
17.9.23
Lieber verehrter Josef Hauer!
Bitte werden Sie mir nur nicht ungeduldig
über mein so langes Schweigen und glauben
Sie nur ja nicht, daß ich das ungeheure Ge-
schenk, das Sie mir mit jedem Ihrer Briefe
machen, nicht in seinem ganzen Werte zu
würdigen weiß - wenn ich, unmusikalisch
von Geburt, nun anfange zu ahnen, worum
es eigentlich in der Musik geht, sind Sie's,
dem ich das verdanke. Denn ich bin jetzt, bei
den jetzigen Zuständen, zu so sinnloser
Hetztagesarbeit verdammt, daß ich kaum
zu Atem komme - nur lauter „Forderungen
des Augenblicks” alles Wesentliche, ja das
Leben selber versäumen zu müssen ist der
Fluch dieser Zeit. Aber hoffentlich kann ich
doch vielleicht im Winter einmal nach Wien
kommen und ein Collegium musicum bei
Ihnen hören.
In aufrichtiger Bewunderung
treulichst Hermann Bahr