Eulenberg, Herbert: Brief an Oskar Maurus Fontana. Kaiserswerth, 3.1.1930
KAISERSWERTH AM RHEIN
HAUS FREIHEIT
den 3. Januar 193o
Mein lieber Oskar Maurus!
Liebe Mohrin!
Die schönsten Wünsche zum Jahreswechsel zuvor. Wir haben auch im vergan-
genen Jahr in treuer Liebe an Euch gedacht und einen wundervoll rassehaften
Kater, den uns eine poesievolle alte Hexe geschenkt hatte, auf den Namen
„Maurus” getauft, um recht oft den uns so angenehmen Namen auszusprechen.
Auch ich habe den Wunsch Sie bald einmal wiederzusehen. Vielleicht lässt
es sich auch auf folgende Weise verbringen: Ich soll nämlich noch im Laufe
dieses Winters in Brünn u.a. Städten der Tschechoslowakei Vorträge halten.
Wenn Maurus mir in Wien ein paar Gelegenheiten zu sprechen verschaffen könnte,
sodass ich kein finanzielles Risiko habe, was in diesen lausigen Zeiten für
mich ganz untragbar wäre, so würde ich furchtbar gerne Euch und Wien ein-
mal wieder besuchen. Ich schreib absichtlich so früh, damit Maurus Zeit
zum organisieren hat. Je öfter ich nämlich spreche, um so eher kann ich
die verdammt weite und kostspielige Reise unternehmen.
Was macht der " Strom " ? Maurus ist doch ein einflussreicher Mann. Ich
möchte ganz gerne auch einmal für einen Roman, den ich hier fertig liegen
habe, etwas klingenden Lohn besehen. Können Sie mir nicht einmal dazu hel-
fen, liebes Möhrchen? Es hat mich übrigens sehr gefreut, was ich von Ihnen
über meines Freundes Gerhart " Spuk " gelesen habe. Umsomehr, da Gerhart
ja im allgemeinen kein allzu grosses Glück mit dieser Sache gehabt zu haben
scheint. Immerhin Wien wagt doch noch etwas für eine nicht ausgesprochen
bolschewikische Kunst! Nur an meinen Theaterstücken geht selbst diese
Metropole der Gesittung vorbei. " S' is halt a Kreiz " den Geruch der blauen
Blume nicht vergessen zu können. In diesem Sinne liebe Mohr und liebe
Mohrin umarme ich Euch herzlichst und freue mich recht bald Nachrichten
./.