Berg, Alban: Brief an Anton von Webern. Trahütten, 19.8.1918
Es ist nicht nur das Schicksal dieses von aller Welt ausgenutzten
u. gequälten armen Menschen, was mir so nahe geht, son=
dern auch die unerhörte Stimmungsgehalt der
einzelnen Scenen. Die Verbindung von immer 4-5 Scenen
zu einem Akt durch Orchester=Zwischenspiele verlockte mich na=
türlich auch noch. [Was ähnliches findest
Du in Maeterlinck-Debussys Pelleas!] Entsprechend der Manig=
faltigkeit des Charakters dieser einzelnen Scenen habe ich mir
auch eine große Abwechslung in der musikalischen Form derselben ausgedacht:
So z. Bsp. normale Opernscenen mit thematischer Durch=
arbeitung, dann solche ohne jede Thematik in der Art der Erwar=
tung (Versteh mich recht: Keine Stilnachahmung sondern nur form=
lich!) Liedformen, Variationen etc. Bis jetzt habe ich eine
Scene fertig komponiert u. hoffe eine 2te große hier noch fer=
tig zu bekommen. Beide sind in der Art
der Pierrot Melodramen u. hier ist ein Punkt,
der mich mit Besorgnis erfüllt: Ob nämlich auf
der Bühne solche Melodramen praktikabel sind. Ob
die menschliche Sprechstimme trotz zartester Instrumenta=
tion für ein Bühnenhaus ausreicht. Ich glaube
schon! Was meinst Du? Die Sprechstimme soll aber nicht
durchwegs im Stück vorherrschen, sondern von der
Gesangsstimme in einigen besonderen Scenen