DR. LEO FELD
WIEN 14. II. 18.
XVIII/3, SCHAFBERGGASSE 5
WIEN 14. II. 18.
XVIII/3, SCHAFBERGGASSE 5
Sehr verehrter Herr Hofrat,
ich hatte in der flüchtigen Minute unseres
gestrigen Gespräches keine Gelegenheit, Ihnen zu sagen, wie
stark der Eindruck war, den ich von der Generalprobe em=
pfieng, und Ihnen für diese genussvollen Stunden auf=
richtigst zu danken. Ich finden die Stilfrage sehr geistreich
gelöst. Raimund heute durchaus in seiner naiven
Ernsthaftigkeit wiederzugeben, würde bei unserem hyper=
intellectuellen Publikum doch auf wenig Empfänglichkeit
stoßen; seine Feenpoesie völlig parodistisch umzuprägen
aber hieße die Pietät gegen den Dichter gar zu willkürlich ver=
letzen. Da erscheint mir nun der Mittelweg, den Sie, sehr verehrter
Herr Hofrat, einschlugen, sehr glücklich: die Poesie der Feenwelt
zu wahren, soweit es nur ohne Gefährdung der Wirkung
angieng, und ihr doch hie und da - etwa in der Neid= und
Hassszene - parodistische Lichter aufzusetzen.
Dass Girardi stärker, frischer und künstlerisch adeliger ist
denn je, ist für jeden Wiener eine große Freude; für mich
gestrigen Gespräches keine Gelegenheit, Ihnen zu sagen, wie
stark der Eindruck war, den ich von der Generalprobe em=
pfieng, und Ihnen für diese genussvollen Stunden auf=
richtigst zu danken. Ich finden die Stilfrage sehr geistreich
gelöst. Raimund heute durchaus in seiner naiven
Ernsthaftigkeit wiederzugeben, würde bei unserem hyper=
intellectuellen Publikum doch auf wenig Empfänglichkeit
stoßen; seine Feenpoesie völlig parodistisch umzuprägen
aber hieße die Pietät gegen den Dichter gar zu willkürlich ver=
letzen. Da erscheint mir nun der Mittelweg, den Sie, sehr verehrter
Herr Hofrat, einschlugen, sehr glücklich: die Poesie der Feenwelt
zu wahren, soweit es nur ohne Gefährdung der Wirkung
angieng, und ihr doch hie und da - etwa in der Neid= und
Hassszene - parodistische Lichter aufzusetzen.
Dass Girardi stärker, frischer und künstlerisch adeliger ist
denn je, ist für jeden Wiener eine große Freude; für mich