Berlin, 10. Nov. 1916.
Liebe Kinder, ich muss die Tage einer bösen Erkäl-
tung wahrnehmen, um Euch zu schreiben. Denn sonst
komme ich doch nicht dazu. Die Familencorrespondenz
absorbirt jetzt so viel Zeit, dass ich zu andern Briefe
kaum komme. Die beiden Jungen, Max, der auch wieder
14 Tage fort war, 2 Neffen im Feld, die Geschwister in
Brieg - ich schreibe u. schreibe und immer bleibt noch ge-
nug, um das Gewissen zu belasten. Denn ich hatte ausserdem
noch viel zu tun, musste fleissig üben, da ich dies Jahr
bei den Universitätscollegs spielen soll. Dann rennt man
täglich auf die Jagd nach Lebensmitteln und bringt
gewöhnlich irgend einen „Ersatz“ nach Hause. Oesterreich er-
scheint uns wie eine Art Schlaraffenland. Ihr bekommt doch
noch Alles für's Geld, wir haben die Tasche voll Karten u. müssen
uns quälen, um das bischen zugeteilt zu kriegen. Nach den
Preisen frägt man gar nicht mehr. - Wie üppig Ihr noch seid
zeigt mir übrigens Deine Bemerkung, liebes Elisel, dass Du „nur noch“
60 Kilo wiegst. Ich wiege mit Winterkleidern 55 1/2, stelle Dir also
meine Schlankheit vor. Dabei fühlte ich mich gerade in der letz-
ten Zeit sehr gesund u. viel beweglicher als früher, und hoffte
schon auf einen guten Winter. Da kam - so ungelegen wie mög-
lich - ein heftiger Katarrh, der mich wieder herunterbringt u. be-
hindert. Gestern sollte ich in Lübeck in einem Concert beglei-
ten, das Hilde Coste u. eine uns gemeinsam befreundete Sän-
gerin, Olga Schäffer, gegeben haben. Es hätte mir solchen Spass gemacht,
nun lag ich zu Bett u. musste die Damen im Stich lassen. Hilde C.
ist wirklich ein sehr lieber Kerl. Sie wird sich am Schauspielhaus
Liebe Kinder, ich muss die Tage einer bösen Erkäl-
tung wahrnehmen, um Euch zu schreiben. Denn sonst
komme ich doch nicht dazu. Die Familencorrespondenz
absorbirt jetzt so viel Zeit, dass ich zu andern Briefe
kaum komme. Die beiden Jungen, Max, der auch wieder
14 Tage fort war, 2 Neffen im Feld, die Geschwister in
Brieg - ich schreibe u. schreibe und immer bleibt noch ge-
nug, um das Gewissen zu belasten. Denn ich hatte ausserdem
noch viel zu tun, musste fleissig üben, da ich dies Jahr
bei den Universitätscollegs spielen soll. Dann rennt man
täglich auf die Jagd nach Lebensmitteln und bringt
gewöhnlich irgend einen „Ersatz“ nach Hause. Oesterreich er-
scheint uns wie eine Art Schlaraffenland. Ihr bekommt doch
noch Alles für's Geld, wir haben die Tasche voll Karten u. müssen
uns quälen, um das bischen zugeteilt zu kriegen. Nach den
Preisen frägt man gar nicht mehr. - Wie üppig Ihr noch seid
zeigt mir übrigens Deine Bemerkung, liebes Elisel, dass Du „nur noch“
60 Kilo wiegst. Ich wiege mit Winterkleidern 55 1/2, stelle Dir also
meine Schlankheit vor. Dabei fühlte ich mich gerade in der letz-
ten Zeit sehr gesund u. viel beweglicher als früher, und hoffte
schon auf einen guten Winter. Da kam - so ungelegen wie mög-
lich - ein heftiger Katarrh, der mich wieder herunterbringt u. be-
hindert. Gestern sollte ich in Lübeck in einem Concert beglei-
ten, das Hilde Coste u. eine uns gemeinsam befreundete Sän-
gerin, Olga Schäffer, gegeben haben. Es hätte mir solchen Spass gemacht,
nun lag ich zu Bett u. musste die Damen im Stich lassen. Hilde C.
ist wirklich ein sehr lieber Kerl. Sie wird sich am Schauspielhaus