Goblot, Germaine: Brief an Karl Kraus. Strassburg, 29.9.1929
Strassburg, den 29. September
29
Lieber geehrter Herr Kraus!
Seit dem 27. bin ich wieder in Strassburg und
habe schon allerlei Pläne und vor allem den festen
Entschluß, meine Zeit so einzuteilen, daß ich mich
mit Ihren Schriften viel beschäftigen kann.
Das dringendste erscheint mir diese historische Dar=
stellung Ihrer Polemik mit Kerr, wovon wir schon in
Lyon sprachen. Würde vielleicht der Verlag der Fackel
mir die Daten und Schriften nennen, die dafür wich=
tig sind? Ich weiß nicht genau, wann und wie
dieser Kampf angefangen hat, und möchte in diesem
Punkte etwas gründliches leisten.
Da Sie so gut sind, mir einige Ihrer Bücher
schenken zu wollen, so füge ich die Liste derjenigen
bei, die ich schon besitze. Das will aber nicht
sagen, daß ich so unverschämt wäre, alle übri=
gen zu verlangen, sondern nur, daß ich Ihnen
gern die Wahl überlasse, denn so wird mir das
Geschenk noch wertvoller sein.
Die politischen Nachrichten aus Wien lassen
mich denken, daß Sie dort nicht mehr lange
bleiben werden. Ich verstehe aber wohl, daß Sie
geistig dort gegenwärtig sein wollen. Das ist eine
schwere Frage. Frankreich ist ja so weit von Wien.