Wien, 6. Juli 1929.
Hochverehrte Meisterin.
Mit tiefster Betrübnis erfüllt mich Ihre Mitteilung
von der zweiten schweren Erkrankung, die Sie heimgesucht
hat, und wahrhaft bewundernswert ist die Seelengröße,
mit der Sie dieses Mißgeschick ertragen. Ein großartiger
Glaube stützt Sie und hebt Sie hoch über alle irdische
Misère hinaus; Sie sind ein edles Beispiel für die Un-
ruhigen, die noch suchen.
Ich bin auf dem Sprung abzureisen und möchte Ihnen
noch vorher meine innigsten Wünsche für die Sommer-
monate darbringen. Mögen Sie die Erholung finden, deren
Sie nach den furchtbaren Prüfungen dieser Zeit so drin-
gend bedürfen. Ich verabschiede mich von Ihnen in der
frohen Hoffnung, Sie im Herbst gesund und schaffens-
freudig wiederzusehen.
In alter Dankbarkeit und Verehrung Ihr Ihnen
ganz ergebener
W. Hartlieb