Am 30April 1917
München,
Kufsteinerplatz 1 IV
Lieber Freund Stern,
haben Sie innigen Dank für Ihr
Brieflein von Mitte des Monats und die
meines Geburtstages selbst draußen im
Felde gedenkenden Widmungsverse, aus
denen ein so stärkendes Vertrauen zum
Siege des Geistes über die argen Mächte
der Zeit tröstlich in die Seele klingt!
Es ist wahr, wir müssen uns so
gegenseitig den Mut immer wieder
heben, denn der Geist muß auch bluten,
und vor dem Verbluten schützt ihn nur
eine ungeheure Zähigkeit des Widerstandes
gegenüber solchen Wirkungshemmungen, wie
sie z. B. dem Erscheinen Ihres Buches „Herz im
Eisen“ oder mir in jeder Art und Weise
verlegerisch dauernd bereitet werden, sodaß
ich buchhandlerisch eigentlich erdrosselt bin -
und nur wegen des Geistes meiner
Gedichte! Meine druckfertig vorliegende Gesamt=
ausgabe in 4 Bänden, die mit Ausschluß des
allzu Gelegentlichen und Gehäuften durchaus das
Wesentliche meines bisherigen lyrischen Lebens=
werkes enthält, ist bis jetzt von allen „führenden“
Verlagen Deutschland abgelehnt! Die Erstaus=
gaben sind dem Antiquariat ausgeliefert. - Zum
Gegengruß Ihrer Verse „an die Zeit“ sende ich
Ihnen gleichzeitig als Drucksache eine Nummer
der „Wochenschau“ mit meinem Ostergedicht. -
In Leipzig erscheint eine neue Zeitschrift
„Der Orkan“, (Herausgeber .. Redakteur Rolf C. Cunz,
Leipzig, Dufourstr. 2). In der man vielleicht
mit dem künstlerischen Ausdruck unserer Ideale
wirken könnte. Senden Sie doch mal mit
Hinweis auf das Buch ein paar Proben aus „Herz
im Eisen“ dort ein! - Petzold schadet sich, weil
er zu viel dichtet, nicht aufstant .. Bei Dietz möchte
ich dieser Tage mal wegen Ihres Buches „stoßen“. Ihnen
selbst alle guten Wünsche und herzliche Grüße, auch
von meiner Frau! Stets Ihr alter Karl Henckell