Jacobsohn, Siegfried: Brief an Karl Kraus. Charlottenburg, 22.5.1917
Die Schaubühne
Herausgeber: Siegfried Jacobsohn
Verlag
Charlottenburg, den 22. Mai 1917
Dernburgstrasse 25
Fernsprecher: Wilhelm 1943
Sehr verehrter Herr Kraus,
daran erkenn' ich meine
Pappenheimer. Sonst existieren Sie für die Zeitungen nicht. Die "Fackel"
wird nicht zitiert, eine Vorlesung nicht erwähnt, ein Buch nicht be-
sprochen. Aber sowie Sie verklagt werden, findet das Berliner Tage-
blatt (gegen das ich im übrigen nicht allzuviel sagen will, weil seine
politische Haltung seit Kriegsbeginn höchst rühmlich ist) plötzlich
die Typen sogar für Ihren Namen zusammen. Si parva licet
componere magnis: genau so geht es mir seit dreizehn Jahren
mit der Presse. Ich fühle deshalb nicht nur Ihren Ekel mit, son-
dern ich weiß auch, was zwei Prozesse, und grade mit solchem Gewürm,
an Zeit und Kraft kosten. Sie sind Manns genug, um mich in keiner
Beziehung nötig zu haben - aber ich möchte Ihnen trotzdem versichern,
Sie werden es nicht missverstehen: wenn Sie meine Sekundanten-
schaft in irgendeiner Form gebrauchen können, wenn Sie während oder
nach diesen Affairen (die ich wahrhaftig nicht überschätze), irgendetwas
von einem Dritten gesagt haben wollen, was Sie selbst nicht sagen wollen oder
nicht sagen können, weil grade keine "Fackel" in Sicht ist - so bitte ich
Sie, vollständig über mich und mein Blatt zu verfügen
Mit herzlichen Wünschen und Grüßen Ihr
Jacobsohn