Jaray, Karl: Brief an Karl Kraus. Wien, 3.10.1934
Wien, 3. Oktober 1934
Hochverehrter Herr Kraus!
Gestern musste ich Sie telegraphisch bitten, nicht vor Samstag
abends nach Wien zurückzukehren. Es hatte sich nämlich als notwendig
erwiesen, die Kabelzuführung in Ihre Wohnung zu verstärken und zur
Erwirkung der Erlaubnis hiefür (Arbeiten Im Hause ausserhalb der
Wohnung) mit dem Hausverwalter in Verbindung zu treten. Auch mussten
wir die Zusicherung des städtischen Elektrizitätswerkes erlangen, dass
die mit Nachtstrom gespeisten Oefen ohne Zähler gegen ein Strombezugs-
pauschale angeschlossen werden. (Das ist sehr ökonomisch; man kann dann
heizen, soviel man will, ohne dass die Ausgaben dadurch steigen.)
Damit verging viel Zeit. Nun ist alles erledigt, in der Wohnung wird
gearbeitet, und die Kabellegung wird sicherlich am Freitag beendet
werden, so dass Frau Wallek, wenn Sie nicht vor Samstag abends kommen,
noch Zeit haben wird, alles in Ordnung zu bringen. Wir haben übrigens
sehr geschickte und verlässliche Arbeiter,und es ist alles so eingerich-
tet worden, dass sehr wenig Unordnung und Staub gemacht wird.
Die Abdichtung der Fenster ist beendet und man kann sich von
der Wirksamkeit jetzt, da es aussen noch so warm ist, nur durch eine
sehr merkbare Dämpfung des Strassenlärms überzeugen.
Nun würde ich ja sehr gern nicht nur die Kabellegung, sondern
auch die Aufstellung der elektrischen Oefen gleich in einem Zuge been-
den lassen. Das muss nicht unbedingt sein, das kann auch später einmal,
gelegentlich einer ein- bis zweitägigen Abwesenheit von Wien geschehen,
aber es wäre natürlich viel besser, Sie nicht nocheinmal stören zu
müssen. Nun weiss ich nicht, an welchem Tage Sie kommen wollen und
getraue mich nicht, am Samstag mit der Aufstellung der Oefen zu beginnen.
Wenn ich z. B. wüsste, dass Sie nicht vor Dienstag kommen wollen, so
könnte ich am Samstag sofort weiterarbeiten lassen und bei Ihrer Rück-
kehr stünden dann schon die elektrischen Oefen.
Ich bitte Sie deshalb, mir ein Telegramm zu senden, woraus ich
den Tag Ihrer voraussichtlichen Ankunft in Wien ersehen kann. Es muss
sonst nichts, nicht einmal Ihren Namen enthalten; ich werde mich dann
danach einrichten.
Die Gesamtkosten der Installation und der beiden Oefen bleiben
etwas unter der von mir Frau Kann und von ihr Ihnen genannten
Ziffer zurück.- Hoffentlich ziehe ich mir mit diesen Belästigungen nicht
Ihren Unwillen zu, denn ich möchte doch Ihr Hausarchitekt bleiben und
nach und nach noch einige Mängel Ihres sonst wunderschönen Heims
beseitigen. Mit herzlichsten und ergebensten Grüssen an Frau Kann und
Sie bin ich Ihr Jaray