Bartsch, Rudolf Hans: Brief an Eduard Castle. St. Peter, 10.2.1931
RUDOLF HANS BARTSCH
ST. PETER B. GRAZ, ROSENGASSE 21
Wien VIII.Hamerlingplatz 7.
ST. PETER, am 19. Februar 1931.
Hochgeehrter Herr Professor !
Von Unglück verfolgt,verarmt und mit Schulden überlastet mußte ich um
den Literaturpreis der Stadt Wien bitten .
Mein Gesuch enthält nicht einmal die volle Schilderung meines Unglücks.
Ich habe mein gesamtes Vermögen durch die Kronen=und Markinflation verloren;
das meiner Frau , als Offiziers=Heiratskaution unter Band gelegt , ist, in
Brásso ( Kronstadt ) durch die bolsch/ewistische Barre des damaligen Ungarn
abgesperrt , auf einen Wert von 350 S. heruntergegangen . Mein Häuschen
in Baden steht unter Mieterschutz und Kontrakt , ist durch Hypotheken überlastet
und trägt nichts ; das nur im Sommer bewohnbare in Seewalchen kostet mich
jährlich gegen 700 S.(Hausbesorger wegen ständiger Einbruchsgefahr).Nun
kann ich pro Kopf und Jahr bloß noch mit einer Einnahme von tausend Mark
rechnen und dieser Sturz im Absatz meiner Bücher kam sozusagen über Nacht
und so überraschend , daß ich meinem Verlag mit einer Schuldenlast von nahe=
zu 9000 S. gegenüberstehe , für die ich keinerlei Deckung mehr aufzubringen
weiß , denn jedes neue Buch fördert nur den Überdruß der,durch die Buchhänd=
ler zur Inflationszeit mit meinen Werken saturierten Leserschaft .
Zu alledem sind mir gerade in diesen Tagen bitterster Sorge meine
beiden , anfangs der Zwanzig stehenden Töchter an doppelseitiger tuberkulö=
ser Infiltration erkrankt und ich habe keine Mittel mehr , sie in Höhensana=
torien zu bringen , wie dies dringend notwendig wäre !
Alldieses kann ich mit der Abrechnung meines Verlages und dem Zeugnis
dreier Ärzte belegen , denn zuerst wollte ich meine älteste Tochter aus Wien
nach Graz flüchten , wo sie aber noch stärker erkrankte und von ihrem behan=
delnden Arzte nach Mönichkirchen geschickt wurde .
Zu alledem leide ich an so hohem Blutdruck , daß ich fürchte , vor