Bartsch, Rudolf Hans: Brief an Franz Karl Ginzkey. o.O., 21.1.1929
Bartsch
Mauseloch , 21. I. 29.
Mein liebster Freund Franz Karl !
Innig Dank für deinen Brief ! Der meine bezwckte doch nichts , als dir
jeden Schreck zu benehmen , falls „sie“ dir erzählten: von den, dir zuzuschreibenden
tausend Mark , nebst Dankessturm .
Wegen meines Schopenhauerbuches brauchst du dich nicht zu sorgen : Jener
Temperamentschwur , keinen Roman mehr zu schreiben , wurde von einem echten
Journalschurl, aus einer Zwölfuhrweinstube, heraus verraten: und aus einer Zeit,
da ich noch Wein trank , und zuviel . Er selber wollte erschreckt dementieren,
als ich sagte :„Sie . ? Sie haben sich selber zehn Schillng Zeilenhonorsr mit einer unauslösch=
lichen Marter der rachsüchtigen Mitwelt hereingebracht , die ich jetzt auszuhal=
ten habe . Man lässt ja Pelzrobben mit zerbrochenen Knochen verhungern, damit
sich das schlaffe , fettbefreite Fell leichter abziehen lässt ; aber solche Ma=
nieren mögen sich Pelzrobben gefallen lassen . Ich merk mir Sie , und wenns drei=
ßig Jahre dauerte ! “
Das kannst du als Freund einmal vermerken und zwar zu meinen Gunsten , wenn
doch , gegen meinen Willen , aus einerr Schopehhauernovelle , ein „Roman“ wuchs !
Übrigens haben grad,wir mit einander beide:Titel und Untertitel ausgemacht , wss du
wieder vergessen hast :„Der große alte Kater , eine Philosophengeschichte“.
Das war November anno Achtundzwanzig , Wien VIII. Wohin du nicht mehr kommst.Und
welchorts du nicht mehr ,(trotz meiner Bitte), Wiederfund berichtest .
Lebwohl , liebster , mir überbliebener Mensch meiner Jugend ; und selbst
wenn Klöckner lebte , du wärst nir der liebste geblieben ! Der Himmel begleite
unsere Arbeit mit seiner Harmonie ! Immer in Treue dein alter
Rudi
Bartsch