Bartsch, Rudolf Hans: Brief an Franz Karl Ginzkey. Wien, 18.1.1929
Bartsch
Wien , 18. I. 29.
Lieber teure Freund !
Staackmann hat wegen des „sterbenden Rokoko” ja gesagt und nun
kann auch ich dir innigst für deine liebe Anregung danken , diesmal auch im
Namen Bertas und der Kinder , denen ich es gleich sagen konnte . Meine Lebens=
versicherung ist so ziemlich abgeschlossen ; ich erhalte, vom 60. Jahre ab, 75
Dollars monatlich und das ist schon ein Rückhalt , wenn ich ihn auch, auf 90 Doll.
noch, erhöhen möchte . Von der Höhe der Summe wissen meine Leute noch nichts,
die Tatsache der Versicherung habe ich ihnen mitgeteilt . Berta hätte sonst
eine gar zu leichte Hand . Jetzt sind aus Amerika für Dreimäderlhaus 1900 S;
gekommen : weg auf Kinderflankerln ! Die Mädel sollen ja hübsch aussehen und
es war höchste Zeit , daß sie manches bekamen was sie brauchten ; aber in die=
sem Tempo weitergehen sollte es nicht , denn auch eine weitere Rate von etwa
3000 S. ist für Kleider und Reisen bestimmt , die ich nicht das Herz habe ,
ihnen zu versagen . Darum bat ich dich ja , mir so liebe Mitteilungen nur nach
St Peter oder III.Invalidenstraße 3 zu machen . Geht es Hamerlingplatz , so muß
ich , schon damit man dir nicht wegen Heimlichkeiten zürne , den Brief vor ih=
nen öffnen .
Liebster , mein Schopenhauerroman , übel begonnen , schleppend fortge=
führt , erklimmt jetzt , wo es ins Seelische und ins Alter des „katholischesten
aller Philosophen”geht , Höhen , die ich bisher nie erreichte , auch nicht im
Lukas Rabesam . Wenns nur so weiterginge , so zuende ginge ! Bis jetzt ,wenig
mehr als drei Wochen nach Beginn , ist schon ein Band von 125 engen Maschin=
schriftseiten Folio fertig („ 4MK.Band”). Kannst dir denken , daß ich keinen Au=
genblick für anderes übrighabe und mich ganz in Mauseloch versperre !
Damit auch Schluß und innigsten Dank für deine treue Freundeshilfe ! Grüß
mi