Kabasta, Oswald: Brief an Wilhelm Kienzl. o.O., 1.2.1927
Bergmanngasse 7.
1.2.27.
Sehr verehrter Meister!
Auf den letzten Brief, den Sie an Herrn Rauscher gerichtet haben, erlaube
ich mir, Ihnen zu antworten. Ich bedaure es lebhaft, dass ich mit Rück-
sicht auf die sonstigen Verpflichtungen des Grazer Singvereins und des Männerge-
sangvereines, die ihr Jahresprogramm schon vor langer Zeit festgelegt haben, nicht in
der Lage bin, einen Herzenswunsch von Ihnen, verehrter Herr Doktor, erfüllen
zu können, indem ich die „Ostara” einstudiere. Es handelt sich ja nicht um
die Dauer der Aufführung, vielmehr um die Zeit, die das Studium des Werkes er-
fordert; ich habe Ihr Werk genau durchgesehen und konstatiert, dass mindestens
drei Proben notwendig sind, um dasselbe gut herauszubringen. Bei einer Wochen-
probe würde somit 3 Wochen an dem Chorwerk gearbeitet werden müssen und
dafür fehlt leider diesmal die Zeit.
Bezüglich Ihres Vorschlages, im „Sanctissimum” den Chor der Flur-
geister durch Damen des Singvereines verstärken zu lassen, beehre ich mich
Ihnen mitzuteilen, dass ich sofort nach Durchsicht des Auszuges beschlossen
habe, den gesamten Singverein diese Stelle allein und hinter der Szene
singen zu lassen und hoffe, hiezu Ihre Einwilligung zu erlangen. Unser
Ballett ist stimmlich leider nicht auf der Höhe und so glaube ich durch
diese Lösung der prächtigen Stelle einen guten Dienst zu leisten.