Liebe Lili! Wien, 25. März 1919. 3/4 10 Uhr Vorm.
In aller Eile schreibe ich diese Karte, damit Du
keine Angst um mich hast. Ich war in den letzten Tagen so
außerordentlich in Anspruch genommen, dass ich bei
bestem Willen nicht zum Schreiben kam, wodurch eine
unfreiwillige Pause von 2 Tagen eintrat. Eben kommt
Deine l. Karte vom 22. d.M. Dass die liebe Marianne bei Dir ist,
freut mich ungemein. Wie froh bin ich, dass sie Dir diese
Freude bereitet u. Dir das Labsal einer schwesterlichen Aus-
sprache verschafft. Ich bin in einem wahren Mutterkuchen
von wichtigen Veranstaltungen, die mir innere Befriedigung
geben in dieser entsetzlichen Zeit. Zu essen giebt's ja ohne-
hin nichts. Die ‚Scholle‘ mit ihrer Entsagungskost (viele Wochen
gab's kein Fleisch!) ist meine Rettung. Gesund ist diese Kost
jedenfalls, denn ich fühle mich körperlich sehr wohl. Zucker
nahm ich schon 2 Monate keinen in den Tee, weil ich keinen habe. Ich