Kosel, Hermann Clemens: Brief an Franz Karl Ginzkey. Wien, 16.4.1925
Atelier Kosel
Wien I., Aspernplatz 1
Hochverehrter Herr Ginzkey.
Ihr Kartengruß aus Nürnberg hat mir große Freude bereitet.
Daß Sie im Dürerhause an mich dachten, war sehr sinnig und
sehr ehrenvoll für mich. Sie haben gewiß wieder große Erfolge
durch Ihre meisterlichen Vorlesungen erzielt, und von Ihrer
Deutschlandreise neuen Lorbeer mit heim gebracht! Wie gönne
ich Ihrem stillen, lieben Schaffen den berechtigten Ruhm!
Mein Gefühlsleben, das wie ein Wogen der See unstät war, ist
nun auch in eine wohltuende Ruhe gewiegt. Meine große Angst
vor dem Fiasko meiner literar. Arbeiten, hat mir der Erfolg
hinweggenommen. Mein Dürer blüht im 15. Tausend und wie
mir der Verleger mitteilt, wird bald mein Michelangelo neu
aufgelegt. Jetzt ist mein „El. Vigée-Lebrun“ in Druck. Ich schrieb
die Stilgeschichte bis Waldmüller in lebendiger Form nun fertig.
Vielleicht gelingt es mir, das Volk über die alten Meister und ihre
Zeit ein wenig leichtflüßig aufzuklären und das soll mir dank
sein für die Mühsale meiner Arbeiten.
Ich möchte nun gern meine neuen Bücher in einem anderen
Verlag unterbringen, denn Bong hat deren acht erworben und ist
auf Jahre hinaus versorgt. Es ist mir so leid, daß Staackmann
so überlastet ist, denn meine Bücher würden für diesen Verlag
am besten passen; ich meine nicht die kunsthistorischen Romane,
ich schreibe jetzt keine solche mehr. ich vollende eben eine Er=
zählung aus dem XVI. Jahrhundert, die in Braunau spielt und