HOFRAT DR. EDUARD LEISCHING
WIEN, I. WOLLZEILE 41
Wien 2.X.32.
Verehrter Herr Dr.
Ich möchte nicht fehlen in der großen Reihe der Gratulanten zu
Ihrem 80. Geburtstage, den Sie, wie ich hoffe, in voller Gesundheit begehen.
Wenn ich auch, im Laufe der Jahre und Schicksale, nur sehr selten
mit Ihnen in Berührung gekommen bin, so erinnere ich mich doch
stets mit voller Lebhaftigkeit und aufrichtiger Freude unserer alten
Beziehungen und darf sagen, daß ich Ihre von hohem Idealismus
getragenen dichterischen, philosophischen und kulturpolitischen Arbeiten
mit großer Teilnahme verfolgt habe.
Daß ich seinerzeit Ihre schönen Vorträge über die Beuronerkunst für
das Österr. Museum gewinnen konnte, erfüllt mich heute noch mit
besonderer Genugtuung und ich wusste mich mit vielen Anderen
einig im Danke dafür daß ein so conservativer Mann wie Sie mit
starker Überzeugung für die moderne Kunstbewegung in Österreich
eingetreten ist.
Möge es Ihnen vergönnt sein, noch lange Ihre vielseitige fruchtbare
Tätigkeit aufrecht zu erhalten!
Mit den herzlichsten Grüßen, auch an die liebe Maia, deren Stimme
ich gestern so frisch wie je vernehmen konnte, und an Ihren
von mir hochgeschätzten Sohn Dietrich, Ihr altergebener
E. Leisching.