Lucka, Emil: Brief an Franz Servaes. Wien, 9.10.1934
Bleistift in der Hand von Stadt zu Stadt und von Museum
zu Museum gewandert, von Holland fuhr ich durch Köln,
Frankfurt nach München - und hier, bei der Abreise,
ereilte mich das Unglück. Aus dem Waggon, im
Hauptbahnhof, wurde mir einer der beiden Handkoffer
gestohlen, er barg alle meine sehr umfänglichen Auf=
zeichnungen, ich sehe sie nicht wieder. So ist beinahe
der ganze Zweck meiner Reise zerstört, ich sammelte
Notizen für ein kulturhistorisches Buch und habe dafür
die sehr großen Mühen auf mich genommen. Aus dem
Kopf kann ich nicht viel ergänzen. -
Nun bin ich recht gelähmt, meine Arbeits=
pläne sind gestört - alles andere nicht sehr glänzend.
Nur die Trude ist brav und lieb wie je, ich muss eben
auch diesen für mich schweren Schlag überwinden.
Felix sah ich vorgestern, sagte ihm Deine Grüße,
demnächst sage ich ihm Deine Adresse, er schreibt Dir dann.
Es geht ihm geldlich schlecht, er war den Sommer über
in Graz, wo er Stunden gab, will Ende des Monates
sehr widerstrebend nach Palermo zurückkehren. Aber
er hat ein Drama fertig, von dem er sich viel erwartet,
und das allen gefällt, (mir zeigt er es nicht, denn
er erträgt keine Kritik), es ist Karl V, ein großer
Stoff. -
Dagny hoffe ich bald zu sehen, vorläufig bin
ich wegen des Unfalles so gelähmt, dass ich nicht viel
mit Menschen zusammenkommen mag.
Die gesellschaftlichen und literarischen Zustände
gestalten sich hier immer unerquicklicher; alles ist