[andere Hand:] 83
Obladis, Post Prutz, Tirol 17/7 1919
Lieber guter Franz!
Dein Brief hat mich gerührt! Du klagst Dich
ja an, dass Du meiner nicht brav gedenkst und mir nicht
oft genug schreibst! Letzteres ist allerdings wahr. Du hast einen
ausführlichen Brief ja nicht beantwortet. Aber sei versichert,
dass ich solches zu verstehen weiß! Ich weiß, dass wir zusammen-
hängen und zusammengehören, auch wenn wir uns eine Weile nicht
sehen und nicht schreiben. (Nebenbei: die Angelegenheit mit der
Creditanstalt ist doch hoffentlich erledigt?) Deine Stimmung
verstehe ich, teile ich, die Zeiten sind grauenvoll. Aber ich
hoffe doch, Deutschland wird sich wieder hinaufarbeiten, wenn
einmal andere Verhältnisse eingetreten sind, und die alte
Arbeitslust wird nicht ganz dahin sein. Anders steht es
freilich mit Österreich. Die Verarmung und Verbitterung ist
groß. Wien geht dem Untergang entgegen. Ich halte eine
soziale Umwälzung für sehr leicht möglich, dann reißen sich
die klerikalen Alpenländer los und Du wirst von einer
Sowjet-Republik Wien lesen, die aber nicht lange Bestand
haben dürfte, weil ihre Bürger (oder wie sagt man?) in einem