Mann, Heinrich: Brief an Oskar Maurus Fontana. Berlin, 20.1.1930
20. Jan. 1930
Berlin – Wlmdf
Uhlandstr. 126
Verehrter, lieber Herr Fontana,
vielen herzlichen Dank für Ihren Aufsatz im "Tag".
Sie sprechen von meinem Bruder und von mir mit der
gleichen Wärme. Erstens thut dies fast niemand, und
dann wird Wärme mit der Zeit überhaupt selten. Von
den jungen Leuten besonders ist sie nicht zu verlangen;
sie würden sich selbst widersprechen. Ich soll am 31. Januar
eine sehr schwierige Rede halten über das „literarische Bild
einer Generation“, nämlich der jungen. Es heißt, kritisch
sein und positiv bleiben – dieselbe Aufgabe, wie gegenüber
allem anderen. Aber hier sind sie da, wollen unbedingt
ganz allein da sein; und nichts verstehen sie schwerer, als
dass das "Sie sind jung" sich nicht von jeher einzig auf
sie bezogen hat.
Ich freue mich immer, von Ihnen zu hören, und
begrüsse Sie, aufrichtig Ihnen ergeben
Heinrich Mann