26. März 1927
München
Leopoldstr. 59
Lieber Herr Fontana,
Ihr Aufsatz ist sehr schön, er zeugt von
so viel geistiger Theilnahme.
Was das religiöse Problem betrifft, ist
es wohl eigentlich mehr ein sittliches Problem.
Sehen Sie den Gegensatz Generalin – Marie.
Die Erste findet nicht zur Verantwortung,
sie hat nichts, was ihr hilft. Die Andere
macht eine Wiederentdeckung, die Beichte.
Hier erfährt sie erst das Wichtigste über sich.
(Die Generalin könnte es höchstens durch
Psychoanalyse erfahren, was aber seelisch
nicht begeisternd, daher auch nicht produktiv
ist.) – Marie ist die reichere Natur, ausser-
dem hat sie als stützende Lebensthatsache
die Religion. Ich sage nicht: daher; obwohl
in ihrem Fall der Zusammenhang besteht.
Jeder muss nicht Religion haben; aber wenn
der Durchschnitt nur wirthschaftliche Begriffe
und sonst als geistiges Eigenthum das bare
Nichts hat, dann bin ich für Religion als
Weg zur sittlichen Verantwortung.
Übrigens halte ich mich schon als Dar-
steller der Gesellschaft an die geltenden Lebens-
thatsachen, dazu gehören Religion samt
München
Leopoldstr. 59
Lieber Herr Fontana,
Ihr Aufsatz ist sehr schön, er zeugt von
so viel geistiger Theilnahme.
Was das religiöse Problem betrifft, ist
es wohl eigentlich mehr ein sittliches Problem.
Sehen Sie den Gegensatz Generalin – Marie.
Die Erste findet nicht zur Verantwortung,
sie hat nichts, was ihr hilft. Die Andere
macht eine Wiederentdeckung, die Beichte.
Hier erfährt sie erst das Wichtigste über sich.
(Die Generalin könnte es höchstens durch
Psychoanalyse erfahren, was aber seelisch
nicht begeisternd, daher auch nicht produktiv
ist.) – Marie ist die reichere Natur, ausser-
dem hat sie als stützende Lebensthatsache
die Religion. Ich sage nicht: daher; obwohl
in ihrem Fall der Zusammenhang besteht.
Jeder muss nicht Religion haben; aber wenn
der Durchschnitt nur wirthschaftliche Begriffe
und sonst als geistiges Eigenthum das bare
Nichts hat, dann bin ich für Religion als
Weg zur sittlichen Verantwortung.
Übrigens halte ich mich schon als Dar-
steller der Gesellschaft an die geltenden Lebens-
thatsachen, dazu gehören Religion samt