Max: Brief an Hans Prager. Freiburg, 1.12.1925
Freiburg (Schweiz), i. Dec. 1925.
Grand rue 37.
Verherter Herr.
Habe nun untersdessen auch die Indien betreffende
Schrift erhalten, wofuer ich bestens und herzlich
danke, denn fuer Gandi interessiere ich mich sehr.
Jetzt habe ich beide Schriften ganz und gar durchgele_
sen. Ich glaube wirklich, dass Sie in der Beurtei_
lung Dostojewskis in vielen Stuecken das Richtige
getroffen haben. Jedenfalls ist Ihre Ansicht sehr
geistreich.Sie wollen ja auch nicht behaupten, dass
der ganze Zusammenhang immer dem Autor selber klar
gewesen sei, sondern dass er unter Fuehrung einer
Art unbewusster Inspiration stand. Ich hatte,
wie ich sagte, den Wunsch, eine Besprechung zu
schreiben, wuerde aber gern ueber eiben Punkt mit
Ihnen reden, ehe ich mich dazu entschliesse oder
nicht. Sie scheinen Dostojewski einen pantheisti

schen Gottesbegriff zuzuschreiben,indem Sie beson_
ders hervorheben, Gott sei fuer ihn eine Art von
Gesammtpersoenlichkeit des Volkes. Ich gebe wohl zu,
dass sich Stellen bei ihm finden, die stark pan_
theistisch klingen, dass er vielleicht manchmal sich
selber ueber seinen Gottesbegriff nicht klar war. Al_
lein im letzten Grunde war er doch ausgesprochener
Christ, Liebhaber des Evangeliums, sogar strenger
Betoner der russischen Orthodoxie, so dass auch sein
Gottesgedanke trotz moeglicher Schwankungen und oef_
ters anders klingender Ausdrucksweise der von dem
persoenlichen, lebendigen ,biblischen Gotte gewesen
sein muss.Er war ein kindlich frommer Mann.Es koen=
te Ihrer Schreibweise nach auch die Vermutung entste_
hen, als sei Ihr Standpunkt der des Pantheismus.Das
geht mich gewiss an sich nichts an und ist Ihre Pri_
vatsache. Allein ich bin nun einmal Geistlicher.Und
daher waere es schwer fuer mich, darueber zu schreib
ben, ohne Verwahrung gegen diesen Standpunkt einzulegen ,oder
sonst wuerde das in glaeubigen Kreisen uebel genommen
Etwas derartiges wuerde aber wieder einer solchen
Besprechung etwas Unangenehmes verleihen. Darum weiss
ich jetzt nicht, was ich tun soll. Ich bin gewiss
an sich nicht engherzig. Liegen jedoch die Dinge an_
ders oder habe ich das falsch aufgefasst, so will ich
gewiss mit Freuden eine Besprechung verfassen.
In v orzueglichster Hochachtung Euer Hoch_
wohlgeboren ergebenster
dr. Max, HzS.
Prof.