Mayer, Erich August: Brief an Hermann Reuther. Wien, 21.11.1932
Dr. Erich
August
Mayer
Wien 13 / St.=Veitgasse 12 / Fernruf R 34=0=32
Wien, am 21.November 1932.
Herrn
Direktor Hermann Reuther,
Wien IX./2,Schwarzspanierstr.15

Hochverehrter Herr Direktor!
Darf ich Sie heute mit einer Bitte belästigen?
Unter den jungen Malern unserer Tage verfolge ich mit besonderer
Aufmerksamkeit die Entwicklung des Ihnen zweifellos auch bekannten jungen
Tirolers Johannes Hepperger. Meine unmaßgebliche, laienhafte Meinung ist,daß
sich hier eine wirkliche Begabung entwickelt, die uns noch Ungewöhnliches zu
bringen vermag, namentlich auf dem Gebiete des großen figuralen Bildes und des
Freskos. Johannes Hepperger ringt außerordentlich schwer. Er ist ein vollkom=
men weltfremder Mensch, malt fast grundsätzlich Sachen, die in Privatwohnungen
nicht aufgehängt werden können, kurz, er ist keiner von jenen geschäftigen Ver-
dienern, die ihre Kunst in den Dienst des Erwerbes stellen. Wenn sich nicht
wirklich großzügige Kenner dieser Begabung annehmen, so ist die Gefahr eines
Zusammenbruches nicht von der Hand zu weisen.
Sie werden ja selbstverständlich seine Kollektivausstellung im
Künstlerhaus gesehen haben. Ich weiß nicht, ob seine Art Ihnen liegt, ob ich
mich nicht überhaupt irre. Aber für den Fall, daß Sie seine Begabung schätzen
und ihm etwas helfen wollten, wäre ich Ihnen ganz besonders dankbar. Ich glau=
be, es trifft hier einen Würdigen.
Wäre es denkbar, daß vielleicht die Gemeinde Wien einmal von ihm
etwas ankauft? Ich glaube, es wäre keine schlechte Erwerbung. - Ich lege den
Fall Hepperger vertrauensvoll in Ihre Hände.
Mit der Bitte, mir meine Belästigung im Interesse der guten
Sache verzeihen zu wollen, verbleibe ich
Ihr aufrichtig ergebener
Dr. Mayer