Noder, Anton Alfred: Brief an Ernst Krenek. München, 22.1.1929
München, Alexandrastrasse 1
Den 21. 1. 1929
Sehr verehrter Herr Professor !
Heute komme ich mit einem neuen Plan ! Im
"Hamburger Fremdenblatt" erscheint soeben mein grosser Roman aus
der venetianischen Renaissance,-"Giorgione",-der voll
farbigen Lebens ist und viel Anklang findet.
Da schon alle möglichen Leute sich an mich
wandten,mit der Bitte,das Werk dramatisieren zu dürfen,ist mir die
Idee aufgegangen,meinen Stoff selber für die Bühne zu bearbeiten.
Als nun meine Frau,-die ein musikalisch sehr be-
gabter Mensch ist-,gestern den von mir dramatisierten"Giorgione" las ,
meinte sie,das sei ja ein ausgezeichneter Text für eine romantische
Oper !Schönheit, Leidenschaft,tragisches Schicksal spielen in anschau-
lich sinnlicher Form so aktiv darin,dass sich die Fabel besonders für
Komposition eignet.
Im Vordergrunde die Riesengestalt"Giorgiones",des
genialen Ventianers; eine wundervolle Rolle für lyrischen Sopran bietet
die reizende Geliebte:"Cäcilia";und ein ausserordentlich wirksamer Part
für eine Hochdramatische ist die"Dogaressa" !Ich habe da gleichsam die
letzten Kapitel des ganzen Romanes zusammengezogen zu einem mächtigen Akt,
in dem das Geschehen kulminiert.
Entweder könnten Sie also einen grossen musikali-
schen Einakter daraus schaffen,und das Werk dann als dritte Num-
mer zu Ihren zwei anderen Kurzopern nehmen,-damit kein drittes,fremdes
Stück die Einheitlichkeit eines Krenek- Abends störe,-oder wir bauen