Niese, Hansi: Brief an Polly Koß. o.O., 28.12.1920
28.XII.20.
Meine gute alte Polly!
Wie sehr mich Dein lieber Brief gefreut
hat - mag Dir die „umgehende“
Antwort beweisen - vor einer Stunde
hat mir der Postbote Deine lieben
Zeilen gebracht! Polly - was ich am
Weihnachtsabend - allein - ohne Mann
und Kinder gelitten habe - sag ich
nur Dir - weil Du mich kennst und
mir glaubst ohne „Schwüre“ und
„Ehrenwörter“ - aber ich hätte vor
Schmerz am liebsten laut gebrüllt.
Dieses Heimweh - dieses entsetzliche
Heimweh! Ich war ja in lieber
Gesellschaft bei Käte Dorsch und
Harry Liedtke (Pallenbergs grüssen
mich kaum - ich glaube sie nimmt
mir meinen Erfolg sehr übel) aber
meine Gedanken waren daheim -
bei den Meinen - und plötzlich
hatten sie alle keine Fehler, nur
Vorzüge - und alles Hässliche war
vergessen und nur die unendliche
Sehnsucht war da! ich habe diesen
Abend - allein, in der Fremde - als