Niese, Hansi: Brief an Melanie Gärtner. Winterthur, 13.1.1934
Winterthur,d. 13.Jänner 1934.
Meine geliebte gute unwahrscheinlich gute,schon ekelhaft gute
treue Freundin Melanie!
Soll ich erst anfangen Dich um Verzeihung zu bitten für all die
scheinbaren Gemeinheiten und Herzlosigkeiten die ich Dir in der
letzten Zeit angetan habe?Ich fange lieber erst garnicht an,denn
eigentlich müsste ich Dir stumm um den Hals fallen und mich gut
ausheulen bei Dir!Ich will Dir auch keine Details erklären, Dir
keine Kommentars für mein Benehmen geben,Du kennst mich lange genug
um zu wissen,dass ich mich für Euch vierteilen lasse.Die Büste
meines Mannes war schön,gross angelegt,bedeutend,aber nicht ähnlich!
Was mich beim Anblick erschüttert hat war Hannas Verehrung für den
Toten,der heute vor zwei Jahren begraben wurde!Ich habe alle Deine
Herzensphasen mitgemacht,ich habe verstanden,was die Mutter in Dir
bei unserer Ablehnung gelitten hat,und deshalb bin ich Dir aus dem
Weg gegangen.Du must jetzt mit Deinem gütigen Herzen auch noch zwischen
den Zeilen lesen,dann brauche ich Dir nichts mehr zu erklären.
Ich habe es abgelehnt mich weiterhin um dieses Grabrelief zu
kümmern,meine Schwiegertochter und Seppl haben alles weitere über-
nommen,nur die Kosten nicht!Uebriegens werde ich mit Hanna bei
meiner Rückkehr noch sprechen.Soll ich Dir mich noch erklären???
Es kann auf dieser Welt nichts kommen was mich Euch abtrünnig macht!
Jetzt will ich Dir nur noch berichten,dass mir die grossen Erfolge
durch die Schweiz, unberufen, treu bleiben,dass ich den Schreiber dieser
Maschinzeilen,unseren lieben Walther Dequine aus Hamburg, sowie
meine Nichte Hansi auf der Reise mithabe,sowie den Hund meiner ver-
storbenen Hansi.Gesundheitlich geht es mir garnicht gut,ich stehe