Simons, Rainer: Brief von Rainer Simons an Rudolf Weirich. Rottach-Egern, 15.2.1919
beiter vorhanden. Im Gegenteil, mit großer und
von Herzen kommender Freude erinnere ich mich
stets Ihrer, als den ebenso stillen, wie gewissenhaften
Musiker, dessen tiefehrliches Können und großes
Wissen mir stets Respekt einflößte. Sie haben nur
einen Fehler - Sie sind zu bescheiden. Das ist nicht gut.
Wie viele drängen sich an erste Stelle und besitzen im
großen Kopf nicht so viel Grütze, wie Sie auf den Finger-
spitzen. Sie sind, lieber Freund, ein ganzer und voll-
wertiger Musiker. Dieses Bewußtsein sollte Ihnen mehr
Selbstbewußtsein verleihen!
Daß einem solchen Künstler die heutige Arbeit
in der Volksoper aus tiefem Herzen zuwider sein muß,
kann ich wol begreifen. Aber wie kann ich Ihnen helfen?
Ich bin im Exil und denke nicht daran, mich in der
jetzigen „beispiellosen Verderbnis” des musikalischen Ge-
schmacks zu betätigen. Und meine Empfehlung? An
wen soll ich sie richten? Sie müßten mir erst sagen, wo
eine Vakanz ist.
Vielleicht aber ist bald die Klärzeit für das gährende
Gemisch frivoler Geschmacksrichtung da. Dann - hoffe ich -
wird man auch wieder meiner bedürfen und dann
möchte ich nicht ohne die mir treu Gebliebenen die
ächte Kunst wieder aufrichten. Und zu diesen Treuen
und ganzen Künstlern gehören Sie, lieber Dr.!
Mit herzlichem Gruß Ihr
Simons.