Viertel, Berthold: Brief an Karl Kraus. München, 1.12.1918
lichkeit zu propagieren. Doch machte ich meine Mit=
wirkung von Ihrer Erlaubnis abhängig. Herr Bernstein
meint es ernst u. ehrlich. Er lebt fanatisch u. restlos
in Ihrer Ideenwelt, er hängt an Karl Kraus mit Liebe
u. Bewunderung u. macht menschlich den Eindruck
eines Überzeugten, der sich nicht heute so, morgen so wen-
det. Ich habe Herrn Bernstein ersucht, auch seiner-
seits an Sie zu schreiben.
Hochverehrter Herr Kraus! Bitte besitzen Sie den
Aufsatz „Apokalypse” aus dem Jahre 1908? Dieses
Heft der „Fackel” blieb leider mit meiner ganzen ver-
packten Bibliothek in Prag zurück, u. ich würde es
- gerade dieses Heft - zur Fertigstellung meiner Auf-
sätze so dringend brauchen. Darf ich darum bitten?
Bis gegen den 10. d. Mts. dürfte ich in München,
bei meiner Frau, Giselastraße 31, bleiben. Dann,
wenn das Fieber nachläßt, muß ich wieder nach
Dresden, Pension Schilling, Reichsstraße 30.
Auch meine Frau liegt, heftig fiebernd, zu
Bett; sie grüßt herzlichst.
Mit vielen guten Wünschen für Sie u.
Ihr Schaffen
Ihr Sie verehrender
Berthold Viertel
Ludwig Münz dürfte jetzt schon - hoffentlich wohlbehalten -
in Wien eingetroffen sein. Gottseidank!