DIREKTION
des
BURGTHEATERS.
Wien,am 2. Mai 1921.
des
BURGTHEATERS.
Wien,am 2. Mai 1921.
Meine sehr verehrte Frau Gräfin!
Gewiss ist der Direktion nichts ferner gelegen, als eine
künstlerische Zurücksetzung Ihrer Person zu beabsichtigen. Gewiss wäre
die Sache für Sie annehmbarer, wenn Frau Medelsky statt Fräulein Pünkösdy
spielte. Nun kommt aber der Coriolan erst anfangs Juni heraus und Frau
Medelsky geht mit Rücksicht auf die Krankheit ihres Gatten bereits am
1, Juni auf Urlaub. So konnte an ihre Mitwirkung von vorneherein nicht
gedacht werden. Ich kann mir nicht vorstellen, verehrte Frau Gräfin, dass
Sie sich diesem Gedankengange verschliessen können werden. Ein Stück wie
Coriolan, das nur ein paar wirklich bedeutende Rollen aufweist und im
übrigen ein Mosaik von kleinen Partien darstellt, wird immer an die Vertre-
ter dieser Rollen, die aber für das Ganze eben organisch wichtig sind,
die Zumutung der Opferwilligkeit stellen. Aber solche Opfer werden ge-
stellt durch die Dichtung, der man dient, und durch das Theater, an dem
man ist. Mich dünkt, dass es niemanden in Wien geben wird, der diesfalls
an eine künstlerische Zurücksetzung der Frau Wohlgemut glauben würde,
sondern höchstens daran, dass Frau Wohlgemut imstande ist, um der Sache
willen kleinliche Erwägungen zurückzustellen. Sie, verehrte Frau Gräfin,
können es sich nach den grossen Erfolgen der letzten Monate getrost gestat-
ten, einmal auf die lohnende Prominenz der Rolle zu verzichten , und das
Burgtheater muss sich seinerseits den Appell an Ihren Idealismus gleich-
falls gestatten dürfen, nicht um Sie zurückzusetzen sondern um den Glanz
der Vorstellung emporzusetzen. Andernfalls könnte ein Stück wie Coriolan
überhaupt nicht gegeben werden. Da muss schauspielerisches Temperament,
künstlerische Zurücksetzung Ihrer Person zu beabsichtigen. Gewiss wäre
die Sache für Sie annehmbarer, wenn Frau Medelsky statt Fräulein Pünkösdy
spielte. Nun kommt aber der Coriolan erst anfangs Juni heraus und Frau
Medelsky geht mit Rücksicht auf die Krankheit ihres Gatten bereits am
1, Juni auf Urlaub. So konnte an ihre Mitwirkung von vorneherein nicht
gedacht werden. Ich kann mir nicht vorstellen, verehrte Frau Gräfin, dass
Sie sich diesem Gedankengange verschliessen können werden. Ein Stück wie
Coriolan, das nur ein paar wirklich bedeutende Rollen aufweist und im
übrigen ein Mosaik von kleinen Partien darstellt, wird immer an die Vertre-
ter dieser Rollen, die aber für das Ganze eben organisch wichtig sind,
die Zumutung der Opferwilligkeit stellen. Aber solche Opfer werden ge-
stellt durch die Dichtung, der man dient, und durch das Theater, an dem
man ist. Mich dünkt, dass es niemanden in Wien geben wird, der diesfalls
an eine künstlerische Zurücksetzung der Frau Wohlgemut glauben würde,
sondern höchstens daran, dass Frau Wohlgemut imstande ist, um der Sache
willen kleinliche Erwägungen zurückzustellen. Sie, verehrte Frau Gräfin,
können es sich nach den grossen Erfolgen der letzten Monate getrost gestat-
ten, einmal auf die lohnende Prominenz der Rolle zu verzichten , und das
Burgtheater muss sich seinerseits den Appell an Ihren Idealismus gleich-
falls gestatten dürfen, nicht um Sie zurückzusetzen sondern um den Glanz
der Vorstellung emporzusetzen. Andernfalls könnte ein Stück wie Coriolan
überhaupt nicht gegeben werden. Da muss schauspielerisches Temperament,