Berg, Alban: Brief an Erich Kleiber. Berghof, 5.10.1932
ALBAN BERG
Gut Berghof
Post: Sattendorf
am Ossiacher-See
Kärnten, Austria
Tel. Villach 395
5.10.32
Mein lieber Freund, ich finde es ganz begreiflich,
daß Du - immer wieder - wegen der „LULU” anfragst. Nach
wie vor betrachte ich Dich, so wie ich es Dir vor 7 Jah-
ren versprochen habe, als den Alleinigen, der die Urauf,
führung macht. Ich betone „Alleinigen”, da ja schon mehr-
fach der Wunsch ausgesprochen wurde (nachdem Jedermann
weiß, daß Du die Uraufführung machst) nach einer „gleich-
zeitigen” Uraufführung. U.a. auch seitens Stokowskis, der
sie um 6 Stunden nach Dir machen will !
Also, wo Du auch seist, wenn
ich endlich fertig bin: gehört die Uraufführung Dir,
mein Lieber !
Ich hoffe zuversichtlich, daß die Oper 1933/4 auf-
führbar sein wird. Früher leider nicht, da dieser Sommer
mir wiederum nicht die Arbeitsmöglichkeit gab, die ich
erhoffte: eine Fülle von Widerwärtigkeiten (von klei-
nen angefangen, wie zweimalige Zahnextractionen mit den
vorhergehenden Zahnschmerztagen, bis zu einer ganz schreck-
lichen) hinderten mich immer wieder an regelmäßig fort-
laufender Arbeit: Infolge der Scherereien mit meinem
geisteskranken Schwager, dessen Kurator ich bin, war fast
der ganze Juli gestört; Im August war ich einmal an einer
hier grassierenden Halsgrippe erkrankt und bettlägerig,
ein andermal überfiel mich ein wütender Wespenschwarm
und richtete mich (mit 20 bis 30 Stichen auf Kopf, Hals,
Nacken, Armen und Beinen) so zu, daß ich wiederum fast 8
Tage krank war. Und schließlich stand der September ganz
im Zeichen des obenerwähnten ganz schrecklichen Ereignis-
ses: Durch die Unvorsichtigkeit unserer Hausgehilfin explo-
dierte in der Küche eine ganze Kanne mit Spiritus. Meine
Frau, die daneben stand, bekam die ganze Explosion ins Ge-
sicht. Sie hatte noch die Geistesgegenwart, der in Flammen
stehenden Hausgehilfin die Schürze vom Leib zu reißen, wo-
bei sie sich auch noch die Hand fürchterlich verbrannte.
Und nun warten wir seit 4,5 Wochen, daß die Spuren jener
entsetzlichen Verbrennungen verschwinden, was sehr langsam