Erinnerung so groß u. unantastbar heilig da; wie ganz we=
nig Sachen der Musik, der Kunst überhaupt. Wann
werd' ich sie hören? Ich bin hier ja so fern dieser Dinge,
so von allen guten Geistern verlassen, daß ich oft - ver=
zeih mir die Sünde - blinden Auges an dieser Pracht der
Wintertage vorübergehe. Ich kann mir's, dem ein Baum
auf der Ringstraße in hellste Naturbegeisterung versetzen kann,
nicht erklären wie so das kommt; es ist aber tatsächlich
so. Eine Abstumpfung all meiner Sinne u. Nerven u. Geistes=
kräfte hat Platz gegriffen, daß ich nicht einmal ein gutes
Buch lesen kann - ja lesen will. Meine Frau hat mir um
mich zu überraschen - einige Bücher heimlich mit eingepackt: 2
Balzak, 1 Maeterlink: Der fremde Gast. Ich habe Deinen Kierke
gaard mitgenommen. U. ich habe noch kein's davon angerührt. -
Hast Du einmal ein wenig Zeit, so schreib mir ein
paar Worte (auf der Bahn Mödling-Wien event.) Du weißt, wie
mich alles Dich Betreffende interessiert. Gern erführe ich auch ein=
mal etwas über Schönberg. Wie's ihm u. der Familie jetzt geht.
Curs, Stunden, event. Aufführungen u. natürlich Verein.
Hievon interesiert mich natürlich jedes Detail. Die Nova-
kovič, die mir über den Abend am 9. d. M (Szymanowskylieder)
berichtete, bat ich, mich auch weiterhin im Laufenden zu
halten. Ja! Was ist mit dem Feistquartett? Was werden
sie heuer noch im Verein spielen? Wie sehn' ich mich nach dem Zemlinsky=
Quartett! Und nach Musik überhaupt und Musizieren ---
Ich frag mich hundert mal im Tag - wieso ich eigentlich dazu komme
hier zu sein.... Zu all dem kommt nämlich, daß meine Frau in
Wien krank (schwerste Grippe wieder einmal) zu Bett liegt u. ich
hierher nur spärliche Nachrichten bekomme. -- Ich komme mir wie
„kommandiert“ vor, von einer ebenso fragwürdigen Macht wie
[seitlich links:] die des Militärs seinerzeit. -- Sei vielmals u. herzlichst gegrüßt mein Lieber von Deinem
Berg
nig Sachen der Musik, der Kunst überhaupt. Wann
werd' ich sie hören? Ich bin hier ja so fern dieser Dinge,
so von allen guten Geistern verlassen, daß ich oft - ver=
zeih mir die Sünde - blinden Auges an dieser Pracht der
Wintertage vorübergehe. Ich kann mir's, dem ein Baum
auf der Ringstraße in hellste Naturbegeisterung versetzen kann,
nicht erklären wie so das kommt; es ist aber tatsächlich
so. Eine Abstumpfung all meiner Sinne u. Nerven u. Geistes=
kräfte hat Platz gegriffen, daß ich nicht einmal ein gutes
Buch lesen kann - ja lesen will. Meine Frau hat mir um
mich zu überraschen - einige Bücher heimlich mit eingepackt: 2
Balzak, 1 Maeterlink: Der fremde Gast. Ich habe Deinen Kierke
gaard mitgenommen. U. ich habe noch kein's davon angerührt. -
Hast Du einmal ein wenig Zeit, so schreib mir ein
paar Worte (auf der Bahn Mödling-Wien event.) Du weißt, wie
mich alles Dich Betreffende interessiert. Gern erführe ich auch ein=
mal etwas über Schönberg. Wie's ihm u. der Familie jetzt geht.
Curs, Stunden, event. Aufführungen u. natürlich Verein.
Hievon interesiert mich natürlich jedes Detail. Die Nova-
kovič, die mir über den Abend am 9. d. M (Szymanowskylieder)
berichtete, bat ich, mich auch weiterhin im Laufenden zu
halten. Ja! Was ist mit dem Feistquartett? Was werden
sie heuer noch im Verein spielen? Wie sehn' ich mich nach dem Zemlinsky=
Quartett! Und nach Musik überhaupt und Musizieren ---
Ich frag mich hundert mal im Tag - wieso ich eigentlich dazu komme
hier zu sein.... Zu all dem kommt nämlich, daß meine Frau in
Wien krank (schwerste Grippe wieder einmal) zu Bett liegt u. ich
hierher nur spärliche Nachrichten bekomme. -- Ich komme mir wie
„kommandiert“ vor, von einer ebenso fragwürdigen Macht wie
[seitlich links:] die des Militärs seinerzeit. -- Sei vielmals u. herzlichst gegrüßt mein Lieber von Deinem
Berg