Friedländer, Alice: Brief an Elise und Helene Richter. Berlin, 5.5.1915
nicht zu machen, nur soviel steht fest, dass man
nicht weit gehen kann. Vielleicht Harz od. Riesenge-
birge, wo es allerdings überfüllt sein wird, da Alles
in Deutschland bleibt u. die See wegfällt. Unsere Ferien
sind ja nun anders geteilt. Hold Anf. Juli - Anf.
August, Franz von Anf. August an, ebenso wie Max.
Habt Ihr Euch irgend etwas überlegt? Sehen müssen
wir uns unbedingt, das ist auch meine Ansicht.
Nach der wirtschaftlichen Quälerei des Winters habe
ich jetzt endlich eine Köchin bekommen, die ordentlich
zu sein scheint u. die die Wirschaft hoffentlich auch
in meiner Abwesenheit weiterführen kann. Wenn Ihr
Recepte schicken könnt, wäre ich sehr froh. Die hiesigen
Kriegsrecepte sind recht mässig. Sehr amüsirt hat mich,
dass Ihr als Einschränkung das Weglassen von Vorspeisen
bezeichnet. Ich glaube nicht, dass auch in Friedenszei-
ten irgend Jemand an solchen Luxus denkt. Jetzt sind
wir in unserem ganzen Bekanntenkreis die Einzi-
gen, die eine süsse Speise machen, wenn Suppe u.
Fleisch mit Gemüse vorangegangen sind. Die meisten
haben mehrere Mal die Woche kein Fleisch (auch
keinen Fisch) sondern statt dessen eine Mehlspeise.
Geschlemmt wird nur, wenn Gäste da sind. Da
aber gehörig, sogar jetzt. Als Vorwand gilt, dass es
[seitlich links] seid herzlichst gegrüsst von Eurer Alice