Friedländer, Alice: Brief an Elise und Helene Richter. Berlin, 18.10.1917
erkältet. Wenn wir nicht durch die Regie-
rung Hülfe bekommen, weiss ich nicht,
wie es werden soll. Max will aus seinem
Arbeitszimmer nicht herausgehen, was am
meisten Kohlen schluckt. Sobald die Uni-
versität schliesst (Ende Januar) wird
man wohl fortgehen. In Berlin ist's ja
doch am schlimmsten. Ich denke sehr
daran, wenigstens für eine Woche nach
Wien zu gehen. Bei Papa's Alter soll man
nichts verschieben. Fatal ist nur die
schlechte Postverbindung, besonders aus
dem Felde. Ich könnte es nur machen, wenn
ich genau wüsste, dass Hold nicht in Gefahr
ist. - Ich fürchte, Papa führt jetzt wieder
ein jämmerliches Leben. Mama geht ins Sana-
torium u. anstatt dass Papa in Budapest bei
den Verwandten geblieben wäre, muss er in
der öden Wohnung mit neuen unzuverlässigen
Dienstboten sitzen. Übrigens suche ich auch
seit Sept. eine Köchin u. habe jetzt nur mit
Aushülfen gewirtschaftet. Die Misère ist jetzt
wohl überall. - Nun Schluss für
heute. Baldige Besserung für Helene
u. Euch Beiden tausend Grüsse v. Eurer
Alice
[am Rand oben:]
Ihr wisst doch, dass Peter den Professortitel be-
kommen hat ? Er ist sehr glücklich darüber.