Bartsch, Rudolf Hans: Brief an Heinrich Friedjung. Baden, 4.3.1916
Baden bei Wien , 4. März 1916.
Verehrter Freund !
Als den Freund Exzellenz Siegharts , dem ich wegen seiner Noblesse
gegen Schönherr und Ginzkey blindlings ergeben bin , möchte ich Dich
bitten, Sieghart von einer ganz wunderbaren, eben freiwerdenden journalis=
tischen und dichterischen Kraft zu erzählen , die er sich unbedingt für
das Neue Wiener Tagblatt sichern sollte ! Vorausschicken muß ich , daß
ich Dir gänzlich aus eigener Initiative und ungebeten schreibe , ja daß
der Betreffende heute noch gar nicht weiß , daß ich mich für seine Ver=
pflanzung nach Wien einsetze . Ich will nichts , als Sieghart und ihm
nützen , ohne von irgendwem gebeten worden zu sein .
Ich rede von Ernst Decsey , dem berühmten Hugo Wolf=Biographen und
dem großen Verfechter Gustav Mahlers , dem Dichter des Romans "Du liebes
Wien" , (der den Erfolg meiner "Haindlkinder" erreichte ). Dazu hat Decsey ,
was mir versagt ist , eine glänzende journalistische Veranlagung . Ich
halte ihn , Hand aufs Herz , für den ersten Feuilletonisten Östreichs !
Er war Oberleutnant an der Südfront , hat das schöne Buch "Krieg
im Stein " drüber geschrieben , das schon in 80.000 Exemplaren herumgeht
und ist eben superarbitriert worden . Von der "Grazer Tagespost" , wo er
bisher Chefredakteur war , möchte er sich , wie ich weiß , gerne loslösen
da ihm Graz schrecklich ist und er dort ( er ist Jude ) impertinenten
Anfeindungen ausgesetzt ist . Ich kann mir für einen Mächtigen , wie
Sieghart es ist , gar keinen glücklicheren Griff vorstellen , als sich
einer solchen Feder zu versichern und darum schreibe ich dir schnell
davon , daß Du dem Freunde einen Dienst erweisest .
Ich bin tief innerlich krank von der deutschen Front zurückge=