Graf Hermann Keyserling
Darmstadt
Prinz Christiansweg 4
Tel. 2042
den 29. Sept. 1926.
Streng vertraulich
Herrn
Dr. Friedrich Schreyvogl, Wien.
Mein lieber Herr Schreyvogl,
Empfangen Sie den Ausdruck meines allerherzlichsten
und freundschaftlichsten Beileids zum Tode Ihres Vaters. Es ver-
steht sich von selbst, dass Sie unter diesen Umständen an nichts
anderes denken konnten.
Wenn ich mich wirklich darauf verlassen kann, dass
Sie persönlich im "Abendlande" meine "Menschen als Sinnbilder",
die mein bisher wohl Wichtigsten sind, besprechen würden, so
könnte ich den Verlag Reichl gewiss veranlassen, Ihnen das Buch
zu schicken. Aber ich muss ganz sicher sein, dass nie und unter
keinen Umständen mehr ein anderer an Ihre Stelle tritt. Ich weiss
nicht, ob Sie Graf Thuns Besprechung im "Abendlande" gelesen haben.
Diese Besprechung stellt, zwischen den Zeilen und psychoanalytisch
gelesen, nicht anderes dar, als einen äusserst geschickten persönlichen Racheakt. Er
schreibt überhaupt nicht zur Sache, sondern sucht mit grossem Ge-
schick das hervor, was mir persönlich besonders schaden muss, in-
sofern es von angeblich freundschaftlicher Seite kommt und des Pudels Kern ist der, dass er
sich dafür rächt, dass ich ihm seinerzeit seinen Aufsatz für das Ehe-
Buch, den er allein nicht fertig bringen konnte, schrieb, sodass
er jetzt in der weiten Welt zum mindesten bekannt wenn nicht berühmt ist. x Persönlich
nehme ich Thun nichts übel, aber dass er für mich als Mensch bis auf Weiteres voll-
kommen erledigt ist, versteht sich von selbst. Ich wünsche ihm nie
wieder zu begegnen. Nebenbei bemerke ich, dass alle gescheiten
Menschen meiner Bekanntschaft Thuns Aufsatz ebenso verstanden ha-
ben,
x „cf die Stelle „ beim Kragen nehmen“
Darmstadt
Prinz Christiansweg 4
Tel. 2042
den 29. Sept. 1926.
Streng vertraulich
Herrn
Dr. Friedrich Schreyvogl, Wien.
Mein lieber Herr Schreyvogl,
Empfangen Sie den Ausdruck meines allerherzlichsten
und freundschaftlichsten Beileids zum Tode Ihres Vaters. Es ver-
steht sich von selbst, dass Sie unter diesen Umständen an nichts
anderes denken konnten.
Wenn ich mich wirklich darauf verlassen kann, dass
Sie persönlich im "Abendlande" meine "Menschen als Sinnbilder",
die mein bisher wohl Wichtigsten sind, besprechen würden, so
könnte ich den Verlag Reichl gewiss veranlassen, Ihnen das Buch
zu schicken. Aber ich muss ganz sicher sein, dass nie und unter
keinen Umständen mehr ein anderer an Ihre Stelle tritt. Ich weiss
nicht, ob Sie Graf Thuns Besprechung im "Abendlande" gelesen haben.
Diese Besprechung stellt, zwischen den Zeilen und psychoanalytisch
gelesen, nicht anderes dar, als einen äusserst geschickten persönlichen Racheakt. Er
schreibt überhaupt nicht zur Sache, sondern sucht mit grossem Ge-
schick das hervor, was mir persönlich besonders schaden muss, in-
sofern es von angeblich freundschaftlicher Seite kommt und des Pudels Kern ist der, dass er
sich dafür rächt, dass ich ihm seinerzeit seinen Aufsatz für das Ehe-
Buch, den er allein nicht fertig bringen konnte, schrieb, sodass
er jetzt in der weiten Welt zum mindesten bekannt wenn nicht berühmt ist. x Persönlich
nehme ich Thun nichts übel, aber dass er für mich als Mensch bis auf Weiteres voll-
kommen erledigt ist, versteht sich von selbst. Ich wünsche ihm nie
wieder zu begegnen. Nebenbei bemerke ich, dass alle gescheiten
Menschen meiner Bekanntschaft Thuns Aufsatz ebenso verstanden ha-
ben,
x „cf die Stelle „ beim Kragen nehmen“