Lieber Roeßler - mit Ihnen will ich ohne Umschweife und Kinkerlitzchen reden, weil
Sie mir wahrhaftig ein lieber, guter Freund sind, wie mir dies auch Ihr Brief bezeugt,
zu dem Sie sich trotz meines unartigen Ausbleibens herbeigelassen haben.
Ich habe es nie recht verstanden, meine geistigen Neigungen und Aspirationen
mit meinem Tun in Einklang zu bringen, und ich kann mich immer weni-
ger der Erkenntnis verwehren, daß sich bei mir bessere Keime in ein untaug-
ches Gefäß verirrt haben. Dieses alte Mißverhältnis hat seit dem vorigen Herbst
einen kritischen Zustand herbeigeführt, der sich nach meiner heurigen Rückkehr vom
Urlaub noch gesteigert hat. Alle meine Bemühungen, den alten Göttern zu fröhnen,
scheitern an äußerlichen und innerlichen Hindernissen, und darüber entgleitet
das bischen Leben, und auch die Erwerbsarbeit, in der ich mich früher als leidlicher
Karrengaul bewährt hatte, wird immer lästiger und gleichgültiger. Nun scheint es
aber, daß ich mich noch immer nicht aufgeben kann, denn ich mag mich noch immer nicht
damit abfinden, den Rest meines Daseins gut bürgerlich zu verdösen. Das Fazit ist,
daß ich mich ganz verkrochen habe. Ich mache mir gar keine Hoffnungen mehr, schrift-
stellerisch noch irgend etwas zu erreichen, trotzdem aber kann ich es nicht lassen,
darauf auszugehen solange ich mich noch mit diesem Phantom herumraufen kann.
Sie werden es verstehen, daß es mir in einem solchen Zustande schwer fällt, gesellig
zu sein, besonders aber jemandem, der mir wert ist, aufzusuchen, während ich
mir selbst gar nichts mehr wert bin. In der zweiten Woche nach meiner Heim-
kehr war ich bei Ihnen, fand also das Vorhängeschloß vor Ihrer Türe und schloß dar-
aus, daß Sie auf Urlaub seien. Durch drei Wochen schleppte ich eine Bronchitis
herum, hustete die halben Nächte durch und konnte nur zur Not dem Bureaudienst
nachkommen. Die Sonntage verbrachte ich, bis auf ein paar Mittagsspaziergänge
mit Weib und Kind, zuhause. Die allgemeine Lage, die Lebensführung, die dunkle Zu-
kunft machen mich schon ganz rabiat, dabei habe ich bekanntlich nicht das Zeug, mir irgend-
wie die Situation zunutze zu machen und kann nur maßlos draufzahlen. Für
Sie mir wahrhaftig ein lieber, guter Freund sind, wie mir dies auch Ihr Brief bezeugt,
zu dem Sie sich trotz meines unartigen Ausbleibens herbeigelassen haben.
Ich habe es nie recht verstanden, meine geistigen Neigungen und Aspirationen
mit meinem Tun in Einklang zu bringen, und ich kann mich immer weni-
ger der Erkenntnis verwehren, daß sich bei mir bessere Keime in ein untaug-
ches Gefäß verirrt haben. Dieses alte Mißverhältnis hat seit dem vorigen Herbst
einen kritischen Zustand herbeigeführt, der sich nach meiner heurigen Rückkehr vom
Urlaub noch gesteigert hat. Alle meine Bemühungen, den alten Göttern zu fröhnen,
scheitern an äußerlichen und innerlichen Hindernissen, und darüber entgleitet
das bischen Leben, und auch die Erwerbsarbeit, in der ich mich früher als leidlicher
Karrengaul bewährt hatte, wird immer lästiger und gleichgültiger. Nun scheint es
aber, daß ich mich noch immer nicht aufgeben kann, denn ich mag mich noch immer nicht
damit abfinden, den Rest meines Daseins gut bürgerlich zu verdösen. Das Fazit ist,
daß ich mich ganz verkrochen habe. Ich mache mir gar keine Hoffnungen mehr, schrift-
stellerisch noch irgend etwas zu erreichen, trotzdem aber kann ich es nicht lassen,
darauf auszugehen solange ich mich noch mit diesem Phantom herumraufen kann.
Sie werden es verstehen, daß es mir in einem solchen Zustande schwer fällt, gesellig
zu sein, besonders aber jemandem, der mir wert ist, aufzusuchen, während ich
mir selbst gar nichts mehr wert bin. In der zweiten Woche nach meiner Heim-
kehr war ich bei Ihnen, fand also das Vorhängeschloß vor Ihrer Türe und schloß dar-
aus, daß Sie auf Urlaub seien. Durch drei Wochen schleppte ich eine Bronchitis
herum, hustete die halben Nächte durch und konnte nur zur Not dem Bureaudienst
nachkommen. Die Sonntage verbrachte ich, bis auf ein paar Mittagsspaziergänge
mit Weib und Kind, zuhause. Die allgemeine Lage, die Lebensführung, die dunkle Zu-
kunft machen mich schon ganz rabiat, dabei habe ich bekanntlich nicht das Zeug, mir irgend-
wie die Situation zunutze zu machen und kann nur maßlos draufzahlen. Für