Löwe, Ferdinand: Brief an Gustav Huber. Ottensheim, 10.9.1923
Ottensheim (Oberösterreich)
10. September 1923
Sehr verehrter Herr Hofrat!
Obgleich ich morgen schon heimkehre, möchte ich
Ihnen doch noch von hier Ihre lieben Zeilen, welche mich innigst
erfreuten, beantworten, da ich in den nächsten Tagen wegen zahn=
ärztlichen Beschwerden kaum das Vergnügen haben werde, Sie sprechen
zu können. - Zur selben Zeit, als Sie bei der Lecture des Auer'
schen Brucknerbuches so freundlich meiner gedachten, wurde ich
zu meiner herzlichsten Freude tagtäglich mehrmals an Sie und Ihre
so tiefwurzelnde Verehrung des Meisters ebenfalls durch ein Bruckner-
werk erinnert. Es ist die bei Reclam erschienene Biographie Bˢ.
von Richard Wetz. Ein außerordentliches Buch! Der Autor, Componist
u. Leiter des Erfurter Musikvereins, sandte es mir mit einer
sehr ehrenden, handschriftlichen Widmung. - Aber ich möchte
Ihrem Urtheile nicht vorgreifen. Bin äußerst gespannt, zu
erfahren, wie es auf Sie wirkt. Mir scheint es - von einem sehr
hohen Standpunkte gesehen - das weitaus Beste, was bisher über
Kunst u. Persönlichkeit des Meisters gesagt worden ist. Ohne jede
Unterschätzung der einschlägigen Werke: meines geliebten verewigten
Freundes Louis, Dr Decsey's, Max Auer's u. A. sei es gestanden.
Unseres Wiener Musik-Geschäftsbetriebs hab' ich zum Glück
über dieser prächtigen Lecture beinahe vergessen. Denn wenn der
mir einfällt, geht's mir immer besonders schlecht. Zumal
der Gedanke, den so rührend-betriebsamen Herrschaften
(Konzertdirektoren, Collegen, Generalsekretäre u. dgl.) auf die