[andere Hand:] 111
Wien, 9. März 1927
IX/1 Rossauergasse 4
Lieber guter Freund!
Tag für Tag drückt es mich, dass ich
Deinen Brief von Neujahr noch immer unbeantwortet liegen
habe, und die (etwas strengen) Blicke Deines unerhört guten
Bildes sehen mich mahnend an. Der Grund ist: dass ich Tag
für Tag das sogenannte Wiener Tagblatt ansehe, allwo ein
Feuilleton „Rembrandt“ seit 3 Monaten gesetzt ist und
niemals nicht erscheinen will. Der betreffende Redakteur
soll meinetwegen einen Rüffel bekommen haben, weil
meine Sachen zu schwer seien (Es gibt nämlich in dieser
Zeitung eine legendäre Gestalt, die heißt „die Frau in Ottakring“
- und man habe so zu schreiben, dass sie es genau versteht
und dass ihr womöglich noch die Augen nass werden). Das
selbe Feuilleton liegt bei den Münchner Neuesten, die
meine Sachen sehr gern bringen, diesmal keine Erledigung.
Bitte sag mir für alle Fälle (wenn München versagt), ob die
Deutsche Allgemeine Zeitung in Betracht kommt, (ich schreibe dort
hin und wieder) oder ob ein Redakteur von Scherl dort nicht
geschätzt wird. Im „Tag“ brauchst Du mich wohl nicht?
Wie gern hätte ich Dir schon einmal eine bescheidene
Gegenstrophe auf die vielen von Dir gesungenen Strophen
zugesandt, aber der Teufel scheint sich diese Affäre zu seinem
besonderen Vergnügen ausgewählt zu haben. Der unmittelbare
Anlass, dass ich Dir heute schreibe, ist unerfreulich genug. Vor
längerer Zeit bekam ich nämlich als Dein in Wien angestellter
Prügeljunge eine freundliche Aufforderung des Steueramtes in
Wien, 9. März 1927
IX/1 Rossauergasse 4
Lieber guter Freund!
Tag für Tag drückt es mich, dass ich
Deinen Brief von Neujahr noch immer unbeantwortet liegen
habe, und die (etwas strengen) Blicke Deines unerhört guten
Bildes sehen mich mahnend an. Der Grund ist: dass ich Tag
für Tag das sogenannte Wiener Tagblatt ansehe, allwo ein
Feuilleton „Rembrandt“ seit 3 Monaten gesetzt ist und
niemals nicht erscheinen will. Der betreffende Redakteur
soll meinetwegen einen Rüffel bekommen haben, weil
meine Sachen zu schwer seien (Es gibt nämlich in dieser
Zeitung eine legendäre Gestalt, die heißt „die Frau in Ottakring“
- und man habe so zu schreiben, dass sie es genau versteht
und dass ihr womöglich noch die Augen nass werden). Das
selbe Feuilleton liegt bei den Münchner Neuesten, die
meine Sachen sehr gern bringen, diesmal keine Erledigung.
Bitte sag mir für alle Fälle (wenn München versagt), ob die
Deutsche Allgemeine Zeitung in Betracht kommt, (ich schreibe dort
hin und wieder) oder ob ein Redakteur von Scherl dort nicht
geschätzt wird. Im „Tag“ brauchst Du mich wohl nicht?
Wie gern hätte ich Dir schon einmal eine bescheidene
Gegenstrophe auf die vielen von Dir gesungenen Strophen
zugesandt, aber der Teufel scheint sich diese Affäre zu seinem
besonderen Vergnügen ausgewählt zu haben. Der unmittelbare
Anlass, dass ich Dir heute schreibe, ist unerfreulich genug. Vor
längerer Zeit bekam ich nämlich als Dein in Wien angestellter
Prügeljunge eine freundliche Aufforderung des Steueramtes in