Lucka, Emil: Brief an Franz Servaes. Wien, 10.5.1933
[andere Hand:] 122
Wien, 10. Mai 1933
VIII. Florianigasse 13
Mein lieber Freund!
Dein herzlicher Brief, der
mir einen lebendigen Hauch der stets gewohnten
freundschaftlichen Wärme ins Herz wehte, hat mir
überaus wohl getan - freilich war die Freude
eingeschränkt durch die Mitteilungen über den
schlechten Gesundheitszustand Deiner lieben Frau -
ich sehe ihr schalkisches Lächeln vor mir! Wenn es
sich nur endlich einmal ordentlich bessern wollte!
Der verheißene herbstliche Aufenthalt in Wien oder
Weidlingau wird ihr doch hoffentlich wohl tun,
dieses Mal sollen aber die alten und oft wieder
aufgegebenen Pläne Wirklichkeit werden. – –
Lieber alter Freund, die Zeit
ist für mich entsetzlich. Du kannst Dich mit ein
bischen Humor, vielleicht auch Galgenhumor über
alles hinwegsetzen, drei Zimmer, Kabinett, Warmwasser
und Tilleken sind ja zu ertragen, das ist kein
Jammer. Ich habe keinen Humor mehr. Zu Dir darf
ich, ich weiß es, offen sprechen. Ich bin, wie Du
weißt, jüdischer Abstammung, wenn ich auch den
alttestamentlichen Glauben nie anders als vom Hören=
sagen gekannt habe, ich bin immer Protestant gewesen.
(von meinen beiden Schwestern die eine so die andere
so). Der Rückweg ist mir also für jeden Fall verschlossen.