[andere Hand:] 119
WIEN, 26. Dezember 1931
VIII Florianigasse 13
Tel. B-44-9-58
Mein lieber Freund!
Die Vermählungsanzeige Deiner
lieben Schwägerin (ich lege ihr ein Kärtchen bei) gibt
mir die erwünschte Gelegenheit, meine Trägheit zu
unterbrechen und Dir nach sehr langer Zeit wieder
einmal zu schreiben. Im Sommer bekam ich eine
Karte von Dir und Felix Braun, erfuhr dann auch
durch ihn einiges von Dir und Deinem vergnüglichen
Ehestand. Immer hoffte ich, einmal aus der Nähe
eine Karte von Dir zu bekommen, und hoffte
eigentlich auf ein gemütliches Wiedersehen wie in
Gastein - aber nichts! Und nach Wien kommst Du
gar nicht mehr?
Ziemlich oft lese ich Deine Theater-Bespre=
chungen im L. A. und empfinde sie immer ein
bischen wie einen Gruß an mich. Was bist Du doch
gegen Kerle wie Ihering und Kerr für eine
menschliche Seele! Bei „Datterich“ dachte ich sehr
an jene ehemalige Wiener Aufführung, wo Dagny
so reizend war. In dem jetzigen grässlichen Stück