Michalek, Ludwig: Brief an Marie von Ebner-Eschenbach. Lienz, 24.7.1914
[Vermerk, blaue Schrift:]
5. Aug
K.
Leisach bei Lienz 24. Juli 1914
Hochgeehrte Frau Gräfin!
Es hat mich schon seit längerer Zeit
bedrückt, dass ich Ihnen mittheilen
muß: Ihre neue Porträt-Radierung
wird erst im Herbst vollendet werden
können. Die letzten Monate waren
nicht glücklich für meine Arbeit - ich
war im Gemüth tief bedrückt - und
wie glücklich - weil arbeitsfreudig - war
ich damals, als Sie mir zu den Porträt=
studien gesessen sind. - Dann kam
bald die schwere Erkrankung meiner
Tochter Helene. Ende April schrieb ich
Ihnen noch, dass sie in der Rekonvaleszenz
sei - und da antworteten Sie mir
noch „in ihrem Alter kommt ja die
Genesung rasch”. Es lebe die Jugend!” -
- Im Mai mußte Helene, nachdem
sie oft und oft Kieferhöhlen-Punktationen
durchgemacht hatte, doch noch am
Blinddarm operirt werden. Mir
hatte man Tag und Stunde der Operation
verheimlicht, da ich eine so wahnsinnige
Angst vor der Operation hatte.