Großmann, Stefan: Brief an Heinrich Friedjung. Berlin, 25.5.1918
Vossische Zeitung
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unbegreiflich, warum diese Aenderungen, zu denen Herr Dr. Kleinberg
schon bereit war,und die er selber im Entwurf eingesandt hatte, späte r
von ihm und Dr. Bettelheim wieder zurückgezogen wurden. Das wichtige
Werk des Biographischen Jahrbuchs hätte an einer solchen Bagatelle
nicht scheitern dürfen. Dazu kommt, dass Herr Dr. de Gruyter wegen
der gestrichenen Stellen einen Prozess nicht riskieren wollte, weil
die Anwälte der May-Partei ja mit grossem Geschick nicht etwa die
literarische Charakteristik Mays beanstandeten, auch nicht die Er -
zählung der Versündigungen Mays, sondern eben nur die 15 bis 20 Zei-
len,in denen Dr. Kleinberg übers Ziel geschossen hatte. Z.B. erwähnte
er auch jene Anklagefakten,deren Beweis gegen May nicht erbracht
worden ist. Dazu kommt, dass Herr Dr.de Gruyter an sich nicht sehr
erfreut davon war, dass diese Jugendverbrechen des Karl May hier
sehr breit getreten wurden. [Wenn wir dergleichen in einem Theater -
stück von Sudermann erlebten, so würden wir ganz auf Seiten des Man-
nes sein, der dreissig Jahre als Schriftsteller bürgerlich korrekt
lebte,und der dann dadurch umgebracht werden soll, dass ihm die Ver-
brechen seiner Jugendzeit vorgehalten werden.] Psychologisch kam
für Herrn Dr. de Gruyter dazu, dass er sich sagte, zwischen den
unbürgerlichen Instinkten des Karl May und der Art seiner schriftstellerischen
Begabung bestehen psychologisch interessante Zusammenhänge. Es ist
übrigens eine Tatsache, die in dem Kleinberg'schen Nekrolog nicht