Kammerer, Paul: Brief an Margarete Jodl. Wien, 1.2.1914
schön er von mir gesprochen hat und dass er mir sogar die gewiss
unverdiente Ehre erwies, mir eine große Zukunft zu prophezeien.
Was hätte mir Ihr Herr Gemahl nicht sein können, wäre es mir
vergönnt gewesen, öfter mit ihm persönlichen Verkehr zu pflegen!
Leider aber stehen wir hier in Wien alle wie auf einem
Isolierschemel; wie viele geistige Güter gehen rettungslos zu-
grunde unter diesem System, das die Herzen, die doch für einander
fühlen sollten, entfremdet und wie mit Panzern aus Eis
umgibt!! Allein und einsam steht man da, mit einem Gefühle
gänzlicher Verlassenheit und Verkanntheit, - und es muss erst
einer sterben, damit man erfährt, dass dies alles nicht wahr ist;
damit man sieht, wo die Stillung der geistigen Sehnsucht hätte
gefunden werden können . . . . .
Mit dem Ausdruck tiefsten Leides (nicht Mitleides)
bin ich Ihr Ihnen, hochverehrte Frau,
ganz ergebener
Paul Kammerer
beantw. 27.4.
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