Kienzl, Wilhelm: Brief an Lili Kienzl. Wien, 26.3.1919
verlief, so dass die Hörer, die immer wieder
die Einnahme erhöhen, ganz entzückt waren.
Ich spielte mit den Herren Vogelhut u. Mittermüller
das sogenannte ‚Kegelstatt=Trio‘ für Klavier, Kla-
rinette u. Bratsche in Es-dur von Mozart; dann
mit Herrn Mayer die schönen D-dur=Variationen
für Klavier u. Violoncell Op. 17 von Mendelssohn,
worauf ich statt der entfallenen Gesangsnummer
selbst, u. zw. in wirklich sehr gelungener Weise, meine
beiden neuen Melodramen „Vor einer Genziane” u. „Das
Totenlicht” vorführte. Zum Schlusse das sogenannte
„kleine” B-dur=Trio für Klavier, Klarinette und Vi-
oloncell Op. 11 von Beethoven. Vor den Werken gab
ich historische u. aesthetische Erläuterungen.
Montag den 24. war ein herrliches Wetter. Vormittg hielt
ich Proben bei mir mit den Sängern Frl. Schlesak,
Herrn Drapal (Bass) u. Hille (Tenor) für den nächsten Tag.
Meine Duette sangen sie famos. Besonders das
Goethe'sche „Frühlingsorakel” („Coucou, coucou!”)
klingt entzückend. Alle singen meine Lieder gern
u. so finden sie immer mehr Verbreitung.
Nmtgs. schleppte ich mit Marie meine Schuhe zum
Schuster, da einige Reparaturen absolut nötig
sind. Abends war ich bei der Gottinger, ganz al-
lein, wo ich bescheiden, aber gut nachtmahlte
(Reste von gutem Friedensreis mit ungezuckerter
u. ungesäuerter Paradeistunke u. Kletzenbrot)
u. wo es sehr gemütlich war. Geplauder bis 10 Uhr.
Die Gottinger ist wirklich sehr lieb u. freundschaft-
lich u. stets hilfsbereit, eine wahre Freundin.
Dienstag den 25. (Feiertag) war Vormittag „Sardinen=
büchse” bei Jüllig's. Prof. Pribram, der bekannte